Linkshänder-Initiative

Was ist Linkshändigkeit?

Linkshändigkeit ist das äußere Zeichen für die Führungsrolle der rechten Gehirnhälfte bei Bewegungen. Sie ist angeboren und ändert sich durch Umerziehung nur scheinbar. Die folgende Abbildung zeigt, dass beim Schreiben die Gehirnfunktionsmuster von RechtshänderInnen und umgeschulten LinkshänderInnen sich klar voneinander unterscheiden. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass umgeschulte LinkshänderInnen auch als Erwachsene noch mehr Kraft aufwenden müssen, um Bewegungen der rechten Hand zu initiieren, und dass sie zusätzliche Energie für die Unterdrückung von Aktivitäten der linken Hand
benötigen
. Im Unterschied zu RechtshänderInnen und links schreibenden LinkshänderInnen sind die Gehirnaktivitäten auf beide Gehirnhälften verteilt. Die Propriozeption, die Eigenwahrnehmung des Körpers, ist bei umgeschulten LinkshänderInnen reduziert. Neuere Studien zeigen, dass auf lange Sicht das Gehirn auch in seiner Strktur geschädigt wird. Das Putamen, ein Teil der Basalganglien atrophiert und hat Störungen der Bewegungskontrolle und von darauf aufbauenden höheren Gehirnfunktionen zur Folge.

Abbildung entnommen aus: Hartwig R. Siebner et al.: "Long-Term Consequences of Switched Handedness: A Positron Emission Tomography Study on Handwriting in "Converted" Left-Handers" in The Journal of Neuroscience, April 1, 2002, 22(7)2816-2825

Entscheidend für die Beurteilung der Händigkeit ist nicht so sehr die höhere Leistungfähigkeit der dominanten Hand als vielmehr ihre Funktion als Führungshand, die der anderen Hand die Rolle der Hilfshand zuweist. Diese Sichtweise ist wichtig, um beispielsweise die Notwendigkeit seitenverkehrter
Musikinstrumente für LinkshänderInnen zu verstehen. Händigkeit begünstigt die Automatisation von motorischen Handlungen und steigert somit die Effizienz der entsprechenden Gehirnleistungen. BeidhänderInnen sind statistisch weniger erfolgreich!
Der Großteil aller gesunden Kinder bevorzugt schon im Alter von 2 Jahren deutlich eine Hand.
Kinder, die noch im Alter von 4 Jahren bei ein und derselben Tätigkeit ständig die Hand wechseln, sollten vom Kinderarzt untersucht werden, weil unklare Händigkeit ein Indiz für leichte Funktionsstörungen des Gehirns und für motorische Entwicklungsverzögerungen sein kann.

Wie Händigkeit entsteht, ist wissenschaftlich noch nicht restlos geklärt. Versuche an Mäusen haben gezeigt, dass wohl die Disposition zur Ausprägung einer motorisch dominanten Seite vererbt wird, nicht jedoch die dominante Seite selber. Unabhängig von der Pfötigkeit ihrer Eltern sind 50% der Mäuse rechtspfötig, 50% linkspfötig. Mäuse mit ausgeprägter Pfötigkeit bringen ebensolche Junge zur Welt, Mäuse mit wenig ausgeprägter Pfötigkeit Ihresgleichen. Was den Menschen betrifft, so existieren zweierlei Erklärungsmodelle für das überwiegende Auftreten von Rechtshändigkeit. Genetische Modelle gehen aus von der Existenz eines rechtsverschiebenden Gens. Menschen ohne dieses Gen wären zu 50% Rechts- und zu 50% LinkshänderInnen. Wer das Gen nur von einem Elternteil erbt, wird zu 75% RechtshänderIn, wer es von beiden Eltern erbt, zu annähernd 100%. Dieses Modell kann nicht ausreichend erklären, warum bei eineiigen Zwillingen normalerweise einer Rechts- und einer LinkshänderIn ist. Umweltmodelle gehen von soziokultureller Vererbung aus, weil der Anteil manifester LinkshänderInnen an der Gesamtbevölkerung abhängig ist von der Toleranz einer Gesellschaft: 15% aller Kanadier, aber weniger als 5% der Orientalen bezeichnen sich selber als LinkshänderInnen.

Mit Sicherheit gibt es viel mehr LinkshänderInnen als allgemein angenommen. Dr. Peter Böhm geht aus von unterschiedlichen Ausprägungsgraden von Händigkeit, sodass viele LinkshänderInnen sich schon als kleine Kinder über die Erziehung bewusst oder unbewusst an die rechtshändige Zivilisation anpassen. Auch heute noch werden kleine Kinder gedankenlos dazu aufgefordert, zur Begrüßung die "schöne" Hand zu reichen, sie müssen mit dem Löffel in der rechten Hand essen lernen und verbrennen sich an Wasserhähnen die Finger, weil sie spontan das linke Ventil öffnen. Frau Dr. Inken Spreda veröffentlicht auf ihrer Deutschen Internetseite eine launige Glosse über die vielen ergonomischen Hürden, die LinkshänderInnen schon vom Aufstehen am Morgen bis zum Erreichen ihres Arbeitsplatzes zu überwinden haben!
LinkshänderInnen, die mit der rechten Hand schreiben lernen mussten, leiden oft unter charakteristischen neurologischen und psychischen Schwierigkeiten.

Ebenso wie Männer und Frauen zwei unterschiedliche Seiten des Menschseins repräsentieren, so tun dies auch RechtshänderInnen und LinkshänderInnen. Bei Unterschieden bezüglich Begabungs- und Persönlichkeitsstrukturen handelt es sich natürlich nur um statistisch relevante Nuancen, die für das Individuum kaum Bedeutung besitzen! Tatsächlich aber findet man unter Teilnehmern an Mathematikolympiaden, Architekten und ChorsängerInnen mehr LinkshänderInnen als in der Normalbevölkerung. Umgekehrt erfassen RechtshänderInnen schneller die Gestalt abstrakter Zeichen. Dr. Peter Böhm spricht in seiner Dissertation über die Folgen von Umschulung anstatt von Rechts- und Linkshändigkeit von rechtshändiger bzw. linkshändiger Begabung.

LinkshänderInnen standen traditionell ebenso auf der Verliererseite wie Frauen oder Schwarze.
Vorurteile. Erst seit etwa 40 Jahren ist allgemein bekannt, dass Linkshändigkeit nicht Ausdruck eines schlechten Charakters, sondern eine ganz normale Variante des Gehirndominanzmusters ist, und dass die Umschulung auf die rechte Hand schadet. Sind LinkshänderInnen damit bereits gleichberechtigt? Sie sind es ebenso sehr und ebenso wenig, wie die Frauen es waren, sobald man ihre Rechte in der Verfassung verankert hatte. Mit solchen geschichtlichen Marksteinen fängt die Aufarbeitung der Diskriminierung immer erst an!
Dr. Johanna Barbara Sattler beschließt ihr Buch über die Psyche des linkshändigen Kindes mit der visionären Metapher vom linksfüßigen und vom rechtsfüßigen Soldaten , welche gemeinsam den geraden Weg durch die Wüste finden, während einer allein dort hoffnungslos im Kreis geht. Wer weiß, ob nicht LinkshänderInnen die Gesellschaft aus so manchen Teufelskreisen befreien könnten, wenn sie sich ihrer Mission einmal bewusst würden!

Wenn Sie weitere Fragen haben: FAQs

Zurück zur Hauptseite

© Dr. Elisabeth Ertl - 2005